
Gott oh Gott oh Gott (ich höre meinen Mann im Hintergrund schon "Ja? Was möchtest du denn von mir?" rufen) – wo fange ich bloß an? In meiner Kindheit? Später? Noch später? Noch viel später? Isch weiß es nischt.
Ich fang mal von vorne an. Ganz vorne.
Als ich Kind war, hatte ich neben drei entzückenden jüngeren Schwestern (Claudi! Inchen!! Susi!!!) auch Eltern, die uns so gut es ging versorgten. Nicht immer wurden wir von einem Geldregen überschüttet, meine Mutter musste gut haushalten, um uns so über die Runden zu bringen, dass wir nicht das Gefühl hatten, allzu viel zu vermissen. Gegessen wurde täglich, immer mittags warm und abends Schnittchen und Tee, ab und an auch noch einmal mit warmen Beilagen wie Bratkartoffeln oder Reibekuchen, weil mein Vater das so mochte.
Günstige Fleischsorten wurden am Mittagstisch bevorzugt. Freitags gab es Fisch, samstags Eintopf, sonntags Braten. Am Montag wurden meist die Reste von Sonntag gefuttert, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag kamen Frikadellen, Bratwurst, auch schon mal ein kleines Schnitzel auf den Tisch. In den meisten Fällen war Fleisch mit Gemüse und Kartoffeln auf dem Teller.
Ab und an wurde Wellfleisch serviert. Dabei handelt es sich um gekochten Schweinebauch, den meine Mutter bereits gegart beim Metzger kaufte. Das Stück Fleisch wurde in Scheiben geschnitten, wie ein Kotelette oder Schnitzel paniert, in Fett gebraten und dann zu Kartoffelpüree und Sauerkraut oder anderen deftigen Beilagen wie gestovtem Wirsing oder gestovte Schnibbelsbonne serviert.
Früher mochte ich das unheimlich gerne. Vor allem das Fett. Ich fand auch bei Eisbein das Fett immer am besten – dicht gefolgt von der knusprigen Haut. Egal wie schwabbelig es auch war, ich war im siebten Wammerl-Himmel, wenn es mal wieder den Schweinebauch gab.
Irgendwann dämmerte mir, dass so ein "falsches Kotelette" nicht wirklich gesund sein kann und nachdem ich mir klar gemacht hatte, wie wenig so ein Stück Fett mit ein paar Fleischfasern dran zur gesunden Ernährung beiträgt, machte ich einen großen Bogen um diese Art der Beilage. Ich glaube, ich habe seit mindestens 30 Jahren keinen panierten oder wie auch immer gearteten Schweinebauch gegessen. Seit 20 Jahren auf jeden Fall nicht, so lange kenne ich nämlich meinen Mann.
Immer wenn Schweinebauch zum Thema eines Gespräches wurde, verzog er angewidert das Gesicht und obwohl er zu den stilleren Naturen gehört, musste ich mir das ein oder andere Argument gegen dieses Fettgeschwabbels anhören. Er hatte ja auch recht.Ungesundes Zeugs das.

Bis neulich. Da kam der Chef ans Ruder. Chef Hansen ganz genau. Der erklärte sich bereit, bei zorra das monatliche Event zu "hosten", also zu initiieren, der machte also den Juli/August. Und was war das Thema? "Ran an den Speck!" Oh nee!

Dilemma, ick hör dir trapsen. Einerseits fiel mir zu Speck nur "Datteln im Speckmantel", "Rosenkohl mit Speck", "Scholle Finkenwerder Art" und "Ich müsste mal wieder dringend drei bis acht Kilo abnehmen" ein. Andererseits hatte ich den Chef und seine Chefin kürzlich persönlich kennen gelernt und wollte aus Sympathiegründen un-be-dingt mitmachen. Als Wink des Schicksals sah ich auch, dass ins Blog eingeflochtene Banner von zorra plötzlich bei mir funktionierten und mir nicht die Aufteilung zerschossen. Leute, das war ein verdammtes Zeichen, da MUSSTE ich mir was einfallen lassen.
Meine kleinen grauen Zellen wurden auf "reanimieren" geschaltet und nachdem sie sich ein wenig warm gelaufen hatten (Drogenscreening! Peritoneal-Lavage!), fiel mir wie Schuppen von den Haaren, dass ich vor ungefähr zwei Jahren so über den Daumen gepeilt 750 Gramm Schweinebauch eingefroren hatte. Ja, jetzt guckt ihr, gell? Ich kann das erklären.
Damals hatte ich nämlich die Bloggergemeinde ganz lieb nach ihren Lieblingskochbüchern gefragt und ich war reich beschenkt worden mit Anregungen zum Kochbuchkauf. Ein adäquater Blogeintrag steht immer noch aus (das macht mich jetzt betroffen), aber das ein oder andere Kochbuch habe ich mir daraufhin schon gekauft. Unter anderem, und jetzt, meine Lieben, nähern wir uns endlich dem eigentlichen Thema, unter anderem also ein von Petra "Chili und Ciabatta" sowie Petra "foodfreak" empfohlenes Buch von Molly Stevens: "All About Braising". Sofort nach Erwerb habe ich ein Gericht aus dem Buch zubereitet und war schlags begeistert. Allerding habe ich das Bloggen darüber total verpeilt. Damals wollte ich sofort wieder etwas aus dem Buch zubereiten und ich meine, mich erinnern zu können, dass Petra damals Schweinebauch kochte. Deshalb also das so lange verschmähte Teil in meinem Gefrierschrank.
Anscheinend verließ mich dann aber doch wieder der Mut und so dümpelte das gute Stück im Eis vor sich hin. Bis zum Event. Speck? Kochen? Warum eigentlich nicht mal Schweinebauch?
Sardonisch grinsend saß ich vor ein paar Tagen abends am Tisch, zu Abend essend mit dem guten Ehemann. Er hatte nur Blicke für seinen Teller bis ich scheinheilig sagte:
"Ich verrate dir jetz mal, was es übermorgen zu essen gibt – Kunstpause – GESCHMORTEN SCHWEINEBAUCH!"
Das Gesicht, Kinners, es war unbezahlbar. Zuerst schwand die Hoffnung, dass alles vielleicht doch nur ein schlechter Scherz gewesen war, dicht gefolgt von der Erkenntnis, dass in naher Zukunft ein schwabbeliges, fettiges Stück Schwein verzehrt werden musste. Das Grauen nahm seinen Lauf, wunderbar abzulesen in den Zügen meine armen Mannes. Tja, da musste er jetzt durch.Noch 48 Stunden bis zur Ewigkeit.
Am Nachmittag eben dieses denkwürdigen Abends hatte ich bereits mit Vorbereitungen begonnen. Das aufgetautet Stück Bauch wurde mit einer Gewürz-Salz-Mischung kräfig eingerubbelt – wer, wie ich, aus einem 100 Jahre alten Tütchen Gurken-Einmachgewürz die Dillsamen rausklauben muss, sollte sein Zeitmanagement gründlich überdenken und ein bis zwei Stündchen früher anfangen – und dann gut verpackt im Kühlschrank deponiert.
Bis zum Nachmittag des übernächsten Tages. Also gestern. Da ging es dann so 4 Stunden vor dem Abendessen los.
Und jetzt mal, statt Epik, der Zeitraffer:
Gemüse schnippeln,

Schweinebauch anbraten,

Gemüse anbraten, Pott in den Ofen, zwischendurch Risotto ansetzen, Fleisch kontrollieren, ganz am Schluss noch ungefähr 100 ml Wasser angiessen, Fleisch rausholen, kurz abkühlen lassen,

in Scheiben schneiden,
im Backofen braten,

Zucchini glasieren, Teller dekorieren, Teller drapieren, hinsetzen und….

… im siebten Schweinbauchhimmel selig schwebend "Knaller!!!" rufen.
Was haben wir gespachtelt! Mein lieber Mann war genau so hin und weg wie ich. Diese unspektakulären Schweinebauchscheiben bekommen durch den zweiten Aufenthalt im Backofen eine leichte, zurückhaltend knuspernde Ummantelung, die uns quasi umgehauen hat. Wir haben die Speckstücke nicht komplett verspeist, aber wir haben uns geschworen, beim nächsten Mal die doppelte Menge Bauch zu brutzeln.
Ein Gedicht! Und nicht nur das. Auch ein Beitrag zum Dauerevent Dein Kochbuch, das unbekannte Wesen. Ja, das nenne ich optimale Ausbeute.

Übrigens, falls ihr es noch nicht kapiert habt: Unbedingt nachmachen!
Ach so: die Zucchini, im bratfettgesättigten Schmortopf geschmurgelt – ein Traum. Frau Stevens empfahl Navettes, aber ich hatte keine. Ich glaube, das war ganz gut so. Das Risotto, mit ein paar fein geschnittenen Salbeiblättchen gegart, passte prima. Wir waren – hatte ich das schon mitgeteilt? – rundum glücklich.
Danke für das tolle Event, lieber Alex. Ohne deinen Anstoß wäre das in 100 Jahre nix geworden mit dem Schwabbelbauch und uns. Also, dem göttlichen Gatten und mir und dem Bauch.
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REZKONV-Rezept – RezkonvSuite v1.4 |
Titel: |
Geschmorter Schweinebauch (Molly Stevens) mit glasierten Zucchini und Salbeirisotto (TM) |
Kategorien: |
Fleisch, Schwein, Schmorgericht |
Menge: |
4 Portionen |
Zutaten
H |
GEWÜRZMISCHUNG |
1 |
Teel. |
|
Pfefferkörner, schwarz |
1 |
Teel. |
|
Koriandersamen |
0,5 |
Teel. |
|
Dillsamen |
1,5 |
Teel. |
|
Salz, grob |
H |
FLEISCH |
750 |
Gramm |
|
Schweinebauch, mit Knochen und Schwarte |
H |
SCHMORZUTATEN |
1 |
Essl. |
|
Olivenöl |
1 |
|
|
Zwiebel, mittelgroß |
40 |
Gramm |
|
Knollensellerie |
4 |
|
|
Knoblauchzehen |
1 |
|
|
Lorbeerblatt, frisch |
4 |
|
|
Gewürznelken |
120 |
Gramm |
|
Noilly Prat |
240 |
Gramm |
|
Geflügelfond |
H |
GEMÜSEBEILAGE |
2 |
|
|
Zucchini, gelb, mittelgroß |
3 |
|
|
Zucchini, grün, klein |
1 |
Essl. |
|
Bratfett vom Schweinebauch |
60 |
Gramm |
|
Bratflüssigkeit vom Schweinebauch |
1 |
Teel. |
|
Zucker |
|
|
|
Salz, grob |
|
|
|
Pfeffer, schwarz, gemahlen |
H |
SALBEIRISOTTO |
100 |
Gramm |
|
Parmesan |
1 |
|
|
Zwiebel |
35 |
Gramm |
|
Olivenöl |
250 |
Gramm |
|
Risottoreis |
5 |
Blätter |
|
Salbei, frisch |
150 |
Gramm |
|
Weißwein, trocken |
700 |
Gramm |
|
Gemüsebrühe, heiß |
20 |
Gramm |
|
Butter |
Quelle
|
Rezept modifiziert und ergänzt |
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Original: "All about Braising", Molly Stevens |
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"Braised Pork Belly with Glazed Turnips" |
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Erfasst *RK* 11.08.2011 von |
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Jutta Hanke |
Zubereitung
VOR DEM SCHMOREN
24 bis 48 Stunden vor dem Schmoren Pfeffer, Koriander und Dill in einem Mörser zerstoßen, aber nicht pulverisieren. Salz zufügen, gut vermischen und den Schweinbauch kräftig mit der Mischung einreiben. In ein geeignetes Gefäß geben, mit Folie oder einem Deckel verschließen und im Kühlschrank mindestens einen Tag, besser aber 48 Stunden ruhen lassen.
DAS FLEISCH SCHMOREN
Am Schmortag Manzfred auf 160° C vorheizen.
Sellerie und Zwiebeln würfeln. Knoblauch fein würfeln. Lorbeerblatt vom Außenrand in Richtung Blattmitte mehrfach einscheiden.
Für das Zucchinigemüse die Zucchini waschen, längs halbieren, den wattigen Mittelteil mit einem Löffel auskratzen und die Hälften in ca. 2 cm breite Halbmonde schneiden.
Das Olivenöl in einem backofenfesten Schmortopf erhitzen und den mit einem Papiertuch abgetupften Schweinebauch (abfallende Gewürze aufheben) mit der Hautseite nach unten bei Mittelhitze (Stufe 8 von 12) 10 Minuten braten. Die Haut sollte danach schön gebräunt sein. Fleisch aus dem Bratfett nehmen. Nur zwei Esslöffel Fett im Topf belassen (mehr war bei mir sowieso nicht vorhanden), den Rest zur Seite stellen. Sellerie und Zwiebeln bei Mittelhitze (Stufe 6 von 12) in ungefähr 8 Minuten leicht bräunen. Knoblauch, Lorbeerblatt und Nelken zufügen, nochmals ca. 1 Minute mitbraten.
Noilly Prat angießen und bis auf einen kleinen Rest einkochen lassen. Geflügelfond zufügen, aufkochen, Fleisch mit der Hautseite nach oben einlegen, die aufgehobenen Gewürze zufügen. Deckel fest verschließen und 45 Minuten schmoren. Inhalt des Topfes kontrollieren. Die Flüssigkeit sollte nicht zu stark simmern. Eventuell die Temperatur reduzieren. Im Manzfred köchelte die Flüssigkeit bei 160° C zu stark, deshalb wurde die Temperatur auf 140° C reduziert. Nach weiteren 45 Minuten den Inhalt des Topfes kontrollieren. Fehlt Flüssigkeit, dann etwas Wasser zufügen. Köchelt der Inhalt unzureichend, Temperatur erhöhen.
Alle 45 Minuten in den Topf schauen, bis das Fleisch nach 2 1/4 – 3 Stunden weich ist. Nach 2 1/4 Stunden war die Flüssigkeit beinahe komplett verkocht. Etwas Wasser angegossen und weitere 45 Minuten geschmort.
RISOTTO ZUBEREITEN
30 Minuten vor Ende der Schmorzeit mit dem Risotto beginnen. Ich bereite es im Thermomix zu.
Parmesan in den Mixtopf geben, 10 Sek./Stufe 10 zerkleinern. Umfüllen und den Topf kurz mit heißem Wasser ausspülen.
Zwiebel geviertelt in den Mixtopf geben und 3 Sek./Stufe 5 zerkleinern.
Olivenöl dazugeben und 3 Min./100°C/Stufe 1 dünsten.
Den Reis dazugeben und zusammen mit den sehr fein geschnittenen Salbeiblättern 3 Min./100°C/Linkslauf/Stufe 1 andünsten.
Den Wein dazugeben und 5 Sek./Linkslauf/Stufe 2 verrühren.
Die heiße Brühe zufügen und 22 Min./100°C/Linkslauf/Sanftrührstufe garen. Dabei den Messbecher entfernen und das Gärkörbchen aufsetzen, um Spritzer zu vermeiden. Sollte der Topfinhalt zu sehr kochen, die Temperatur auf 90° C reduzieren. In der Zwischenzeit kann man sich wieder dem Schweinebauch widmen.
Nach der Garzeit den Reis probieren. Er sollte nicht zu weich sein, aber auch nicht zuviel Biss haben.
Vor dem Servieren die Butter und 40 g Parmesan unterziehen. Den restlichen Parmesan nach Belieben dazu verzehren.
FINISH SCHWEINEBAUCH
Mittlerweile dürfte der Schweinbauch fertig geschmort sein. Den Schmortopf aus dem Ofen nehmen, den Deckel entfernen und das Fleisch etwas abkühlen lassen. Dann auf ein Schneidbrett legen, die Rippenknochen heraus ziehen, die feste Haut (nur die Haut – Speckschicht bleibt am Fleisch) entfernen. Die Speckschicht rautenförmig einschneiden.
Manzfred auf 175° C hochheizen.
Das Fleisch in vier Portionen schneiden und in eine flache Form legen, die gerade groß genug ist, die Fleischscheiben aufzunehmen.
Die Schmorflüssigkeit mit dem Gemüse in ein Sieb geben, dabei die Flüssigkeit auffangen und das Gemüse leicht auspressen. Flüssigkeit in eine Fettscheidekanne füllen. Falls nicht genug Schmorsaft vorhanden ist, mit etwas Fond oder Wasser auffüllen. Man benötigt ungefähr 150 -200 ml Flüssigkeit. 60 Gramm entfetteten Bratensafts und 1 EL Fett für das Gemüse beiseite stellen. Den Rest der entfetteten Schmorflüssigkeit über die Fleischscheiben gießen und das Fleisch für ca. 20 Minuten in den heißen Manzfred schieben. Tür dabei angelehnt lassen. Die Flüssigkeit verkocht in dieser Zeit fast komplett und das Fleisch wird sagenhaft knusprig-braun. Falls das Fleisch noch zu hell ist, einfach noch eine Weile im Ofen lassen.
In der Zwischenzeit die Zuchini zubereiten.
Ca. 10 Minuten vor dem Ende der Garzeit die in Streifen geschnittene Schwarte ebenfalls in den Ofen stellen und knusprig braten.
GLASIERTE ZUCCHINI
In den ungespülten Schmortopf, in dem der Schweinebauch gegart wurde, gibt man die Zucchini, 1 El des reservierten Schmorfetts, den Zucker und die Schmorflüssigkeit. Mit Salz und Pfeffer würzen und alles zum Köcheln bringen. Mit aufgelegtem Deckel so lange köcheln, bis die Zucchini knapp gar und bissfest sind. Deckel entfernen und so lange kochen, bis die Flüssigkeit komplett verdampft ist und die Zucchini appetitlich glänzen.
SERVIEREN
Den Risotto mit Butter und Parmesan verfeinern. Zusammen mit dem Zucchinigemüse und dem Schweinebauch auf einem Teller anrichten. Reis mit Parmesan bestreuen, ein Salbeiblättchen als Dekoration auflegen. Eventuell den Teller mit einem blühenden Kräuterstrauß dekorieren. Wer mag, kann noch ein paar Streifen Schwarten dazu legen.
Und dann: genießen. Es hat uns so hervorragend geschmeckt, wir waren hin und weg. Ein absoluter Knaller!
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Und jetzt, Alex, hab' ich mir doch noch ein Piccolöchen verdient, oder?